Berge machen glücklich

Sonnenuntergang in Zermatt

© Nathalie Steindl

Auf der Suche nach Happiness

Schon immer war der Mensch ein neugieriges Wesen, das danach strebte, unbekannte Gefilde zu erforschen und sich stets einen Schritt weiter zu trauen als andere vor oder zu seiner Zeit. So ist es nicht verwunderlich, dass auch im Zermatt des 19. Jahrhunderts der Aberglaube nach und nach zu überwinden versucht wurde. Denn der leise, aber stetige Ruf der Berge und die angeborene menschliche Neugier waren grösser als die Angst vor dem Unbekannten und den Gänsehaut bescherenden Sagen und Legenden.

Manche mochten in die Berge gegangen sein, um weiter und höher zu gelangen als andere; um Ruhm zu erlangen und in die Geschichte einzugehen. Möglich. Jedoch findet man selbst in Edward Whympers Niederschriften zur Matterhorn-Erstbesteigung die folgenden Worte eines Herrn über seinen Bergführer Michel Croz aus Chamonix, der Whymper bei der Erstbesteigung des Matterhorns begleitete: ” … he was only happy when upwards of 10’000 feet high.” (Edward Whymper, The ascent of the Matterhorn)

“Happiness. Das Glück und vor allem das Glücklichsein. Das ist es doch, wonach wir im Leben suchen”

Breithorn: Mein erster Viertausender in Zermatt

Auf dem Gipfel des Breithorns.© Nathalie Steindl

In Zermatt haben wir das Glück, nicht nur anspruchsvolle und technisch schwierige Gipfel zu haben, sondern auch einen ganz besonderen „Anfängerberg“ – das Breithorn mit 4164 Metern – der für fast jeden Zermatt-Besucher erreichbar ist. Für Kinder und Jugendliche, für die ältere Generation, für Bergneulinge und Stadtmenschen. Dieser Schneegigant am Klein Matterhorn beschert selbst weniger sportlichen Besuchern das grosse Geschenk, einmal in seinem Leben auf einem Viertausender gestanden zu haben. In knapp 1,5 bis 2 Stunden erreicht man den breiten Gipfelgrat des allerbesten Aussichtspunkts in Zermatt: mit Blick auf die umliegenden, übrigen 37 Viertausender. An klaren Tagen reicht die Sicht bis zum Mont Blanc und hinab zur italienischen Po-Ebene.

Einzige Voraussetzung für die Besteigung: ein, zwei Tage Wandern rund um Zermatt zur Akklimatisierung (oder woanders in der Höhe) und ein Minimum an Sportlichkeit.

Diese Gletscherwanderung wird nicht zu Unrecht von den glücklichen Besteigern, die sich abends strahlend vor Freude und Stolz ihr wohlverdientes Bergsteiger-Diplom im Alpin Center abholen, als “schönstes Erlebnis ihres Lebens” bezeichnet. Happiness.

Es muss nicht immer das Matterhorn sein

… aber es kann.

Es ist 18.00 Uhr, ich sitze abends auf der Terrasse der Hörnlihütte und sehe zu, wie sich der pyramidenförmige Schatten des Berges in den letzten Sonnenstrahlen des Tages über das Zermatt legt. Innerlich die ungeduldige Vorfreude, gepaart mit einer leichten Nervosität, in Hinblick auf die Matterhorn-Besteigung des nächsten Tages.

Tags darauf dann gegen 8.00 Uhr dieses Gefühl von Happiness, wenn nach Stunden körperlicher Anstrengung und stetiger Kletterei der Gipfel zum Greifen nah ist – hin und wieder begleitet von einem innerlichen Anfeuern seiner selbst, wenn man kurz aussetzen möchte anstatt weiter dem kontinuierlichen, einem Uhrwerk gleichenden Schritt des Bergführers zu folgen, der hier jeden einzelnen Stein kennt. Endlich, die wohlverdienten letzten Meter vor dem Matterhorn-Gipfel – der Statue des heiligen Bernhards gebe ich beim Vorbeisteigen ein innerliches High-Five.

Am Gipfel des Matterhorns. Happiness pur. © Nathalie Steindl

Dann, die Sonne im Gesicht. Lächelnd steht man oben auf  dem Matterhorn auf 4478 m, blickt über die unzähligen erhabenen Felsspitzen und Gletscherriesen an der Nordwand vorbei hinunter auf den Grat und den steinigen Weg, den man bis hierher zurückgelegt hat. Stolz darauf, was man sich hier erkämpft hat, mit wochen-, monate- oder jahrelanger Vorbereitung – bei Bergtouren mit seinen Wegbegleitern, Freunden und Bergführern. Die Glückseligkeit ist unbeschreiblich.

Der Weg ist eben auch das Ziel. Und schliesslich, nach einer achtstündigen Matterhorn-Besteigung zurück in der Hütte die verschwitzten und drückenden Bergschuhe ausziehen, beim wohlverdienten Panaché auf der Terrasse der Hörnlihütte mit seinem Bergführer den besten Tag seines Lebens ausklingen und die gemeinsam erlebten Bergmomente nochmals entspannt Revue passieren lassen. Diese innere Ruhe zu verspüren – das ist Happiness.

Es spielt keine Rolle wie hoch hinaus, wie schwierig der Gipfel oder was man sich als persönliches Ziel gesetzt hat – ob Z’Mutt oder das Weisshorn – schlussendlich geht es um das eigene Glücksgefühl.

Die Berge lassen uns die übrige Welt vergessen, einzig der Augenblick zählt. Sie führen uns vor Augen, wie klein wir doch eigentlich sind, und, dass gewisse Probleme von oben betrachtet vielleicht gar nicht so schlimm sind, wie es uns oftmals vorkommt.

“Menschen, die die Berge lieben, widerspiegeln Sonnenlicht. Die andern, die im Tal geblieben, verstehen ihre Sprache nicht”

Gedicht von Stefan Schröder

In diesem Sinne: Sucht euch euren persönlichen Gipfel rund um Zermatt und vergesst dabei nicht, den Weg dorthin zu geniessen und glücklich zu sein!

Einen tollen Bergsommer allerseits!

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