Wildbeobachtung in Zermatt: Ein einmaliges Erlebnis

Steinbock vor dem Matterhorn

Wer mit dem Matterhorn Express von Furi nach Schwarzsee hochfährt, staunt im Winter nicht schlecht. Je nach Schnee- und Wetterverhältnissen können aus den Gondeln heraus bis zu 50 Gämse am Hang des Schafberges beobachtet werden. Doch sobald Lawinengefahr herrscht, verschwinden die Tiere, wie von Zauberhand weggebracht: “Gämse können sich ihrer alpinen Umgebung sehr gut anpassen”, sagt Wildhüter Bruno Tscherrig.
Das macht die Wildbeobachtung umso interessanter: Die Gämse verlassen die Hänge, bevor Lawinen abgehen. Sobald aber die Gefahr vorüber ist, kommen sie an die Schneefreien Stellen der Lawine zurück und fressen das verdorrte Herbstgras.

Aber auch Steinböcke erblickt man in den Zermatter Bergen unschwer. “Wir haben die Tiere praktisch vor der Tür”, sagt der Wildhüter. Auf dem Gornergrat zum Beispiel, gibt es einen Leckstein der sie im Sommer anzieht. Sie stehen still und majestätisch da und überblicken die Bergwelt.

Wer Glück hat, erhascht auch einmal einen Blick auf einen Adler oder gar auf einen Bartgeier. Wer aufmerksam Spuren beobachtet, erkennt die Fährte von Schneehasen oder Füchsen. Auch das Federvieh ist gut vertreten: Adler, Schneehühner, Steinhühner (sehr selten) sowie Vögel aller Art.

Doch man muss nicht einmal das Dorf verlassen, um Wildbeobachtungen durchzuführen, nur nachts wach bleiben. In Zermatt gibt es Dachse, die regelmässig zu nachtschlafender Stunde um die Kirche trippeln. Marder Familien bedienen sich in den Abfallcontainern. Und Dutzende Füchse werden jede Nacht angezogen, weil Einwohner ihre Katzen im Freien füttern.
Aber Achtung:

“Füttern verboten und Menschenkontakt vermeiden!”

Die Neugierige: Die Gämse

Kürzlich hatte eine Gämse auf dem Heliport ins Büro der Einsatzleitung hinein geschaut. Ein anderes Mal wurde eine alte Gämse regelmässig unterhalb des Hotels Omnia gesichtet. Manche Einwohner könnten Geschichten erzählen – denn Gämsen sind sehr neugierig.

Bei den Gämsen tragen beide Geschlechter rund 25 cm lange, hakig gekrümmte Hörner. Sie leben in Rudeln, vor allem zur Winterzeit. Kräftige Böcke, die rund 35 Kilogramm wiegen können, beteiligen sie sich dann an den Brunftkämpfen, die vom November bis in den Dezember hinein stattfinden. In dieser Zeit verfolgen sich die Widersacher in wilden Hetzjagden. Die Tragzeit beträgt gut fünf Monate, das Kitz – meistens ein einzelnes – kommt in der Regel zwischen Mitte Mai und Mitte Juni auf die Welt.

Der Majestätische: Der Steinbock

Steinböcke können bis 80 kg wiegen, Geissen hingegen nur bis 35 kg. Paarungszeit ist im Dezember und Januar, die Tragzeit beträgt sechs Monate. Ein einzelnes Junges kommt im Juni auf die Welt. Beide Geschlechter tragen Hörner, Böcke bis ca. 100 cm, Geissen bis ca. 30 cm. Beim Bock bilden sich an den Hörnern pro Jahr bis zu zwei Hornwülsten. Steinböcke leben in Höhen zwischen 1600 und 3000 Metern. Das Gebiet um Zermatt ist somit ideal für diese majestätischen Alpenbewohner und der Wildbeobachtung.

Der Lautstarke: Der Rothirsch

Ein männlicher Rothirsch kann bis zu 200 kg schwer werden, die Kühe bis zu 100 kg. Paarungszeit ist Mitte September bis Mitte Oktober. Hirschkühe tragen 34 Wochen. Die Kleinen, meistens ein einzelnes, kommen im Mai oder Juni auf die Welt. Auch die Hirsche haben einen Geweihzyklus. Das Geweih wächst von Februar bis Juli, Abwurf ist im Februar/März. Die Kitze haben ein rotes Fell mit weissen Flecken, darum können sie gut mit Rehkitzen verwechselt werden – also bei der nächsten Wildbeobachtung gut hinschauen. 😉
In der Brunftzeit röhren die männlichen Hirsche laut und lange. Sie sind im Morgengrauen unüberhörbar, vor allem zwischen Täsch und Randa.

Das Unsichtbare: Das Reh

Die Rehpopulation in Zermatt ist gross. Böcke werden rund 23 kg schwer, Geissen 20 kg. Ihr Sommerhaar ist rotbraun, das Winterhaar graubraun. Brunft und Paarungszeit ist im Juli und August. Geissen tragen währen 42 Wochen, die Kitze kommen zwischen Mai und Juni meist als Zwillinge auf die Welt. Nur die Böcke tragen Geweihe. Es wächst von Dezember bis April, im Oktober bis Dezember wird das Geweih jedes Jahr abgeworfen.

Die Niedlichen: Die Murmeltiere

Zermatt hat viele Murmeltierkolonien. Die Tiere legen in ausgedehnten Höhlen und wiegen zwischen drei und sechs Kilogramm. Paarungszeit ist im April und Mai. Trächtig sind die Weibchen nur 33 Tage lang. Ein Wurf (die Kleinen heissen “Affen”) umfasst zwei bis drei Tiere. Die Murmeltiere haben ein ausgeprägtes Sozialeverhalten, welches man auch in der Wildbeobachtung leicht erkennen kann – vor allem im Juni, wenn die Kleinen erzogen werden und den Eltern nicht immer aufs Wort gehorchen.

Die besten Orte & Zeiten für eine Wildbeobachtung

GÄMSE
Winter: Matterhorn glacier paradise – Schafberg, aus der Gondel des Matterhorn Express, nach Furi bis Aroleid.
Rothorn – Aus der Gondel, zwischen Blauherd und Rothorngipfel. An der Piste, unterhalb der Traverse vor Blauherd.
Gornergrat – Aus der Gornergratbahn, zwischen Findelbach und Riffelalp (eher selten).
Sommer: Im Ganzen Gebiet, insbesondere im Gebiet Schweifine.

SEINBÖCKE
Winter: Gornergrat Kulm, beim Geleckstein, von der Restaurantterasse aus sichtbar. Täschalp (Januar), nur mit Skiern erreichbar.
Sommer: Wanderweg Rotenboden Richtung Monte Rosa-Hütte, oberhalb der Seitenmoräne des Gornergletschers. Riffelhorn. Chalbermatten bei Zmutt.

ROTHIRSCHE
Winter: In den Wäldern.
Sommer: Randa bis Herbriggen, teilweise aus der Matterhorn Gotthardbahn sichtbar, entlang der Vispa, in Flussrichtung hauptsächlich links.

REHE
Winter: In den Wäldern.
Sommer: Waldgebiete Aroleid, Findeln, Täscher Wälder etc. In Zermatt hört man das Bellen der Rehe in der Brunftzeit im Juli und August.

MURMELTIERE
Winter: Sie befinden sich im Winterschlaf.
Sommer: Am Murmeltierweg bei Sunnegga/Blauherd, am Wanderweg Täsch-Zermatt, zwischen Furi und Aroleid. Geduldige Beobachter entdecken sie überall.

ADLER
Trift/Mettelhorn.

Wichtiger Wildschutz

In Zermatt sind viele Gebiete als Wildschutzgebiete bezeichnet. “Schneesportler übersehen oft die Hinweistafeln und begeben sich abseits der Pisten in die Ruhegebiete des Wildes. Das endet für Gämsen und Rehe meist tödlich”, erklärt Wildhüter Bruno Tscherrig. Denn im Winter funktioniert der Körper Metabolismus von Gämse, Rehe & Co. nur auf Minimum. Muss aber beispielsweise eine aufgeschreckte Gämse flüchten, stirbt sie meist an Erschöpfung. Ist es eine Geiss, stirbt auch ihr Kitz, weil es auf die Führung der Mutter angewiesen ist.

Alle Gäste, die in der Natur Freude oder Ruhe suchen, sind gebeten, die Weisungen auf den zahlreichen Hinweistafeln zu beachten und die Pisten und Wanderwege nicht zu verlassen. Schneesportler, die eine wilde Waldabfahrt quer durch ein Schutzgebiet machen, müssen mit hohen Bussen rechnen und ihren Skipass abgeben.

Doch die Freude an den scheuen wilden Tieren kann gross sein. In der Wildbeobachtung ist Zeit, Geduld, ein Feldstecher und warme Kleidung der Schlüssel für ein unvergessliches Erlebnis.

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