Wer in Zermatt Geduld, ein gutes Auge und eine Prise Glück mitbringt, erblickt am Himmel vor dem Matterhorn vielleicht ein Bartgeier. Die majestätischen Vögel sind eine Seltenheit. Doch in Zermatt fühlen sie sich Zuhause. Dies berichtet zumindest Bruno Mooser. Er hat seine Leidenschaft den Bartgeiern gewidmet und teilt seine Erfahrungen mit uns in diesem Blog-Artikel.
Vor über 30 Jahren wurden in der Schweiz wieder Bartgeier ausgewildert. Dies geschah über die Stiftung Pro Bartgeier, welche sich zum ehrgeizigen Ziel setzte, den grössten Vogel im Alpenraum, wieder anzusiedeln. 1991 wurden erstmals drei junge Bartgeier im schweizerischen Nationalpark ausgewildert. In den folgenden Jahren gelangten immer mehr dieser imposanten Segler in den Alpenraum. Im Jahre 2015 brütete in Leukerbad erstmals ein Bartgeierpaar im Oberwallis einen Jungvogel aus. Auch das in Zermatt sesshaft gewordene Paar, startete nur ein Jahr später zu seiner ersten erfolgreichen Brut. Und genau dieses Paar durfte ich 2016 bei der Aufzucht des ersten Jungvogels begleiten.
Sechs Monate lang konnte ich mitverfolgen, wie das Elternpaar die Eier ausbrüteten, den Jungvogel Tag für Tag fütterten und ihn grosszogen, bis er schliesslich nach rund 120 Tagen zum Erstflug starten konnte. All diese Geschehnisse habe ich 2018 in einem kleinen Bilderband veröffentlicht.
Was wir heute wissen …
Der Bartgeier Papa trug damals einen Sender auf dem Rücken und zwei Silberringe um die Greifer. Durch meine Informationen und die Mithilfe der Stiftung Pro Bartgeier, konnte herausgefunden werden, um welchen Vogel es sich handelte. Dieser ist im Tierpark Berlin am 19. März 2011 geschlüpft und wurde dann am 21. Juni im Nationalpark Hohe Tauern im Habachtal ausgewildert. Weil das Habachtal Weltweit bekannt ist für seine Smaragdfundstellen, trägt der Vogel den wunderschönen Namen Smaragd. Damit wurde er auch Botschafter dieses eindrucksvollen Tales.
Den Nachweis, woher das Weibchen stammte, konnte man dazumal nicht erbringen. In den Folgejahren durfte ich einige Federn dieses schönen Seglers finden. Durch die Hilfe der Stiftung und DNA-Proben meiner gefundenen Federn, wissen wir heute, wer die Bartgeier Mama, vom inneren Mattertal ist. Die Dame stammt aus Frankreich, genauer aus dem Val d`Isere, wo sie 2010 wild geschlüpft ist. Basierend auf den genetischen Ergebnissen, des 2010 geborenen Jungvogels, dürfte die prächtige Mama « Flocon», übersetzt Schneeflocke heissen.
Es gibt Nachwuchs
Anders als einige Bartgeierpaare, welche eher in tieferen Lagen ihren Horst bauen, haben sich die Zermatter Bartgeier für einen Platz in einer Höhe von 2’400 Metern über Meer entschieden. Die Ruhe und Abgeschiedenheit, vielleicht aber auch das gute Nahrungsangebot, liess sie hier oben sesshaft werden. Zu einer der grössten Überraschungen zählt sicher die Besonderheit, dass das Männchen nach biologischem Massstab noch zu jung war, um geschlechtsreif zu sein. Trotzdem schaffte es das junge Bartgeierpaar, Anfang 2016 ihren ersten Nachwuchs ins Nest zu legen und grosszuziehen. Bis zum heutigen Jahr schaffte es das Paar acht Jungvögel auszubrüten, wovon einer leider seinen Erstflug nicht schaffte.
Für die Stiftung ist dies trotzdem eine grosse Genugtuung ihrer geleisteten Arbeit. Für den ersten Jungvogel, welcher 2016 im inneren Mattertal geboren wurde, durfte ich die Patenschaft übernehmen. Da in Zermatt geboren, nannte ich ihn Mätti. Bis heute haben mich diese Vögel in ihren Bann gezogen. Immer wieder kehre ich an den Ort der Erlebnisse zurück, um innere Ruhe zu finden oder einfach zu verweilen. Bedanken möchte ich mich für die erlebten Stunden in der atemberaubenden Bergwelt von Zermatt, die vielen Begegnungen mit Mutter Natur, die bewegenden Momente mit dem Bartgeierpaar und ihrem ersten in freier Natur geborenen Jungvogel vom inneren Mattertal « Mätti».