Angaben zur Person:
Name: Deborah Kressebuch
Beruf: Kunstlehrerin, Hirtin, Künstlerin
Tätig in diesem Beruf: Diplom der Hochschule für Gestaltung und Kunst Luzern 2008 und seit Kindheit in die Tätigkeit als Hirtin und Künstlerin gewachsen
Aktueller Betrieb: selbstständig
7 Fragen an Deborah:
In Zermatt kennt man dich als Hirtin auf dem Gornergrat. Wie kam es dazu, dass du Zermatt entdeckt hast?
Zermatt habe ich durch Rebecca Julen kennengelernt. Sie lud mich ein, in ihrem Hotel Wandbilder zu gestalten. Ich durfte auf fünf Etagen die Wände mit einem vorgegebenen Thema bemalen: Schwarznasenschafe. Dabei lernte ich nicht nur die Schwarznasenschafe, sondern auch Zermatt kennen. Während dieser Arbeit erwähnte ich beiläufig, dass ich bereits als Hirtin gearbeitet hatte. Eins führte zum anderen. Schliesslich wurde ich Hirtin auf dem Gornergrat, und das Projekt «Meet the Sheep» wurde ins Leben gerufen, das ich zwei Jahre lang betreuen und aufbauen durfte.
Die Aufgabe als Hirtin war eine besondere Herausforderung. Das Weidegebiet ist riesig, das Wetter oft unberechenbar, und die Nachfrage nach «Meet the Sheep» wuchs stetig. Es wurde zu einem anstrengenden 24-Stunden-Job, bei dem kaum noch Zeit für Dinge wie Duschen oder Kochen blieb. Letztlich musste ich die Notbremse ziehen. Dennoch möchte ich betonen: Ich habe die Arbeit als Hirtin geliebt, ebenso wie die Tätigkeit im Tourismus und die Zusammenarbeit mit den Menschen von Zermatt. Es war meine Leidenschaft, aber der Zeitpunkt kam, an dem ich weiterziehen musste.
Das Leben als Hirtin ist besonders. Was fasziniert dich daran?
Der Lebensstil in den Bergen ist auf das Wesentliche reduziert, und man verbringt die meiste Zeit draussen in der Natur. Genau das ist es, was mir guttut und was ich brauche – nicht mehr und nicht weniger. Ich bin ein Naturmensch, und das einfache Leben fernab der Zivilisation erfüllt mich. Wenn ich für einen Job in die «normale» Welt zurückkehren muss, dann ist das ein Muss, das meiner Seele und meinem Gemüt nicht guttut. Ich brauche die Freiheit der Natur, das Draussensein – immer wieder und so oft wie möglich.
Diesen Sommer lebst du wieder in der Abgeschiedenheit von Zermatt und widmest dich deiner Kunst mit selbst hergestellten Pigmentfarben. Wie kam es dazu?
Die Idee dazu entstand bereits damals, als ich in Zermatt als Hirtin gearbeitet habe. Schon damals begann ich, Pigmente aus Zermatter Steinen zu gewinnen. Die Vielfalt der Farben in den Steinen – von Rostrot über bläulich bis hin zu Weiss und Grün in allen Nuancen – hat mich fasziniert. Ich machte es mir zur Aufgabe, gezielt nach Steinen zu suchen, aus denen ich zunächst Steinkreise legte. Später zerschlug ich sie, mahlte sie fein, bis daraus Pigmente entstanden. Zwischenzeitlich habe ich sogar den Gletscher als Freund, der die Steine gleich selbst zu Pigmenten verkleinert. Daraus entstehen dann nach einer speziellen Rezeptur Farben. Mit diesen selbst hergestellten Farben begann ich, meine ersten Bilder zu malen – und so nahm alles seinen Anfang. Es war dann das Gebirge von Zermatt, das mich zurückrufte, weil ich einerseits wieder Steine für die Pigmente brauchte, andererseits der starken Sehnsucht nachgeben wollte, für meine künstlerische Arbeit und Inspiration wieder zurück in die Gipfelwelten zu kommen.
Was ist die grösste Herausforderung bei der Herstellung deiner eigenen Farben?
Es ist alles andere als einfach, die Farben, die man im Stein sieht, so zu reproduzieren. Das Farbspektrum ist oft begrenzt, und manchmal ist es nur die oberste Schicht des Steins, die die intensive Farbe trägt, ganz besonders dann, wenn der Stein nass ist. Aus einem einzigen Stein gewinne ich daher oft nur eine winzige Menge Pigment. Doch ich habe mir fest vorgenommen, genau diese einzigartigen Farben auf das Papier zu bringen. Es ist ein langer und sich immer fortsetzender alchemistischer Prozess des Experimentierens und Ausprobierens. Heute habe ich eine Farbpalette mit 15 verschiedenen Pigmentfarben nach Zermatter Steinen hergestellt: Meine Matterhorn Farben.
In deiner aktuellen Serie malst du fast ausschliesslich Schwarznasenschafe. Warum?
Die Hirtenzeit in Zermatt hat mich stark geprägt und inspiriert. Die Schafe sind für mich Träger meiner ganzen künstlerischen Intention geworden: Das Leben auf dem Berg, reduziert auf das absolut Minimale und Notwendige, macht den tiefen Sinn unserer Handlungen und Ziele erfahrbar und greifbar. Im Zusammenspiel der Schwarznasenschafe, mit denen viele Menschen hier sehr besondere Begegnungen verbinden, und den lokalen Pigmentfarben, gekoppelt mit den intensiven, charaktervollen Momenten der Alpzeit, geht mit jedem Kunstwerk ein Stück Lebenssinn in die Sichtbarkeit. Die Werkserie ist lebendig und echt – nichts daran ist erfunden und ich kann mit meinem ganzen Wesen als alpine Hirten-Künstlerin dahinterstehen: Aus fast nichts kann fast alles werden. Aus Stein wird Kunst.
Hast du ein Lieblingsschaf, das du besonders gerne porträtierst?
Es ist nicht das Schaf als einzelnes Wesen, das mich fasziniert. Als Hirtin auf dem Gornergrat habe ich unzählige Fotos von den Schwarznasenschafen gemacht, um sie später in meinen Bildern festzuhalten. Hinter jedem Bild steckt eine ganz eigene Geschichte, die ich mit diesem Moment verbinde. Ich erinnere mich genau an das, was damals war – jeder Augenblick hatte eine Bedeutung. Diese Momente sind in den Bildern eingefangen, und genau das verleiht ihnen ihre besondere Tiefe und Ausdruckskraft. Kein Moment ging spurlos an mir vorbei, und das spiegelt sich in jedem meiner Werke wider.
Zermatt ist für mich…
… die Quelle meiner Farben.