Thomas Zumtaugwald. Man kennt ihn in Zermatt als ruhigen, bescheidenen Mann. Grosse Worte ist man sich von ihm nicht gewohnt. Als Bergführer und Rettungsspezialist hat er sich darauf spezialisiert, Menschen in Not in den Bergen zu retten. Seit über zehn Jahren ist Zumtaugwald im Team der Zermatter Rettungsspezialisten. Normalerweise begegnen er und sein Team Lawinenopfern, erschöpften Bergsteigern oder Menschen in Gletscherspalten – nicht aber zu Wassereinsätzen. Am 1. Mai-Wochenende 2022 wurde Thomas Zumtaugwald jedoch zu einer Rettung gerufen, die heldenhafter kaum sein kann.
Einsatz im bitterkalten Furggbach
«Es war ein sonniger Morgen», erinnert sich Thomas Zumtaugwald zurück. Er hatte frei und war in Visp. Ein Kollege hatte Pickett. Da viele Rettungsspezialisten wegen Schulferien abwesend waren, teilte Zumtaugwald seinem Kollegen mit, dass er im Notfall bereit sei, zu helfen.
Dann passiert es. 10.50 Uhr. Alarm für die Retter aus Zermatt. Zwei italienische Skifahrer sind ausserhalb der markierten Skipiste unterwegs. Einer der beiden, ein 60-jähriger Skifahrer war in den Furggbach gefallen, nachdem er durch die Schneedecke gebrochen war und wurde vom Wasser mitgerissen. Sein Freund alarmierte umgehend die Rettung. Zumtaugwald eilt sofort von Visp zurück nach Randa zu seinem Zuhause um sein Material zu holen und sich einsatzbereit zu machen. Ein Helikopter der Air Zermatt holt ihn ab und fliegt den Bergführer direkt zur Unfallstelle. Dort angekommen, sah er bereits zehn Retter vor Ort, darunter erfahrene Rettungsspezialisten, Bergführer und auch Flughelfer der Air Zermatt.
Gefahr für Bergretter
Diese Bergretter waren selbst in Gefahr. Sie konnten selbst jederzeit ins eiskalte Wasser stürzen. Denn das Wasser und die warmen Frühlingstemperaturen haben einen Hohlraum zwischen dem Wasser des Furggbachs und der Schneedecke geschaffen. «Die Situation war sehr heikel», erinnert sich Zumtaugwald. «Wir gingen mit äusserster Vorsicht vor und sicherten uns mit Seilen.»
Als Zumtaugwald die Szene betrat, war der verunglückte Skifahrer bereits seit einer Stunde im kalten Wasser. Die Retter vor Ort konnten ihn mit einer Sonde orten. «Das grenzt an ein Wunder», ordnet Zumtaugwald die Situation ein. Ausserdem erkannte Zumtaugwald, dass der Bach den Skifahrer noch weiter hätte fortschwemmen können, was die Rettung erheblich erschwert hätte. Wegen der Wassertemperatur ging es um jede Sekunde; es war eine Rettung gegen die Zeit.
«Jemand muss runter!»
Die Retter gruben ein Loch und versuchten, ein Seil zum Verunfallten herabzulassen, um ihn zu bergen. Doch er war zu schwach. Niemand wusste genau, wie schwer der Mann verletzt war. Ein Rettungstaucher wurde angefordert, aber es würde mindestens 30 Minuten dauern, bis dieser vor Ort sein würde. In diesem entscheidenden Moment handelte Thomas Zumtaugwald. Er erkannte, dass jede Sekunde zählte, und rief aus, dass jemand hinuntersteigen müsse, bevor der Taucher eintraf. Alle zeigten sich beschäftigt. Thomas Zumtaugwald befand, wenn er dies ausgesprochen hatte, so musste er wohl dann selber handeln…
Ohne zu wissen, ob der Skifahrer noch am Leben war, stieg der Rettungsspezialist in die Dunkelheit ab. Zumtaugwald fand sich inmitten des eiskalten Wassers wieder, wo er den bewusstlosen Skifahrer fand. Thomas Zumtaugwald musste unter das eiskalte Wasser tauchen, um den stark unterkühlten Mann zu erreichen. Er rang mit dem Wasser. Mit einem Dreieckstuch und Karabinern und zitternden Fingern sicherte er den Patienten. Die Retter oben konnten den Skifahrer auf diese Weise aus dem Furggbach hochziehen und retten.
Einsatz am Limit
Unten im eiskalten Gletscherwasser fühlte sich Zumtaugwald zunehmend unwohl und kalt: «Ich wusste, dass jetzt auch für mich jede Sekunde zählte und bat meine Kollegen, sich zu beeilen.» Als er schliesslich wieder sicher oben war und der Abwind des Helikopters ihn traf, wurde ihm bewusst, wie gefährlich sein Einsatz gewesen war.
Der verunglückte Skifahrer wurde von der Air Zermatt ins Spital geflogen. Dank dem mutigen Einsatz von Thomas Zumtaugwald konnte er rechtzeitig gerettet werden. Ein Arzt teilte Zumtaugwald mit, dass der Patient 15 Minuten später wohl gestorben wäre, da seine Körpertemperatur auf gefährliche 26 Grad gesunken war.
Emotionales Wiedersehen
Zwei Monate nach seiner Rettung lud der gerettete Skifahrer, der im Aostatal lebt, Zumtaugwald und alle an der Rettung Beteiligten zu einem emotionalen Abendessen ein. Die Eltern des Verunfallten, die bereits einen Sohn verloren hatten, waren ebenfalls anwesend und äusserten grosse Dankbarkeit für die Rettung ihres zweiten Sohnes.
Thomas Zumtaugwald hat durch sein Handeln an diesem Sonntag im Mai nicht nur Mut bewiesen, sondern durch seinen selbstlosen Einsatz ein Menschenleben gerettet. Aufmerksamkeit sucht der erfahrene Rettungsspezialist nie. Seine Gelassenheit und Entschlossenheit sind jedoch bemerkenswert. Zumtaugwalds Geschichte erinnert daran, dass Mut, Entschlossenheit und Teamarbeit Wunder bewirken können. Dieser Mut und diese Entschlossenheit werden gewürdigt. Rettungsspezialist Thomas Zumtaugwald aus Randa ist für den Prix Courage nominiert.
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