Wenn die Helikopter ausgehen: Ein Tag mit der Einsatzleitung

Wie ein Tag im Cockpit eines Helikopters der Air Zermatt aussieht, scheint weitläufig bekannt zu sein. Wie sieht hingegen ein Tag hinter den Kulissen, ganz auf dem Boden, in der Einsatzleitung in Zermatt aus?

Es ist morgens kurz nach sieben. Auf dem Weg zur Arbeit sieht man, dass der Himmel klar wird und erahnt, dass es ein actionreicher Tag wird. Die Ungewissheit, was auf einen zukommen wird, ist jedoch gross, denn auf der Air Zermatt gilt: Alles kann passieren und kein Tag wird so sein wie ein anderer. Auf dem Heliport gibt es zunächst einen Kaffee, es wird gelacht, die Auftragsprogramme werden noch einmal kurz besprochen, so dass jeder weiss was er zu tun hat, wo und wann er gebraucht wird. Die Situation ist entspannt.

Nun beginnt der Moment auf den alle gewartet haben: Die Helikopter starten und der Flugbetrieb beginnt. Es ist kurz nach 8 Uhr, die Leute im Dorf erwachen und sehen das tolle Wetter. Rundflüge werden spontan gebucht.

Eine Baumaschine einer schwierig zugänglichen Baustelle oberhalb von Zermatt ist defekt und muss dringend ersetzt werden. Organisationstalent und Reaktionsfähigkeit sind gefragt. Mit ruhigem Kopf und voller Konzentration werden nach und nach die nächsten Stunden geplant und allfällige Änderungen im Programm umgesetzt.

Jetzt geht’s erst recht los!

Im Rausch des Funkverkehrs, der Emails und der Gäste vor Ort klingelt das Telefon. Es ist die Kantonale Walliser Rettungsorganisation (KWRO): Herzinfarkt auf dem Gornergrat!

Jetzt muss alles schnell gehen!

Die Rettungscrew wird ausgerufen, Einsatzprotokolle werden ausgefüllt und kurze Zeit später startet der Rettungshelikopter Bell 429 – auch Susi genannt.

Ein paar Sekunden lang wird es wieder ruhiger im Büro, jedoch nicht lange… Ein erneuter Notruf via KWRO: ein Autounfall im Goms. Sofort wird das Rettungsteam auf dem Heliport Gampel kontaktiert damit dieses mit der anderen Rettungsmaschine, ebenfalls eine Bell 429, zum Unfallort startet. In der Zwischenzeit ist es bald Mittag. Das weitere Arbeitsprogramm für die Teams des Flugbetriebs wurde aktualisiert, es kehrt erneut Ruhe ein. Einer der Rettungshelikopter ist auf dem Weg ins Spital Sion, der andere hat einen etwas längeren Flug bis in das Inselspital Bern.

Mittagessen? Aber sicher nicht!

Die Crew von der Einsatzleitung kann sich nun auch endlich an den Mittagstisch setzten und sich ans Essen schöpfen machen. Just in dem Moment als sie es sich auf dem Stuhl bequem machen, läutet das Telefon erneut.

Ein dringender Rettungseinsatz auf dem Klein Matterhorn wird von den Zermatter Bergbahnen angekündigt: für eine bewusstlose Person benötigt es medizinischer Hilfe – per Helikopter geht das am schnellsten. Beide Rettungsmaschinen haben ihren laufenden Einsatz noch nicht abgeschlossen, also muss eine alternative Lösung gefunden werden, um schnellstmöglich auf dem Klein Matterhorn retten zu können.

Gemeinsam mit der Crew auf der Basis wird entschieden, dass ein Transporthelikopter umgerüstet wird, um eine Primärversorgung auszuführen. Da alles sehr schnell gehen muss, verlassen alle den Mittagstisch und so ist die Küche um 12:08 Uhr wieder leer – gegessen hat noch fast keiner.

Gehen die Helikopter aus?

Nach Übergabe des vorherigen Patienten im Spital Sion eilt die Rettungsmaschine Susi zurück nach Zermatt, um den Patienten vom Klein Matterhorn nach der Erstversorgung zu übernehmen. In der Zwischenzeit ist auch die zweite Bell 429 wieder zurück auf der Heimbasis in Gampel. Der Helikopter für die Primärversorgung wird wieder auf Transport umgerüstet und kann um 13:30 Uhr wie geplant mit dem Programm fortfahren. Auch konnten zwischenzeitlich alle Mitarbeiter auf dem Heliport Zermatt ihren knurrenden Magen stillen und neue Kräfte für den Nachmittag sammeln.

Das Telefon klingelt ununterbrochen, viele Kunden wollen noch Transportflüge anmelden. Die Auslastung für die kommenden Tage ist jedoch bereits sehr hoch. Zusammen mit den Kollegen des Heliports Raron, wo möglicherweise noch ein Helikopter verfügbar ist, werden die perfekten Pläne ausgetüftelt, um den Kundenbedürfnissen möglichst gerecht zu werden. Auch am Schalter auf dem Heliport Zermatt läuft es auf Hochtouren: Fluggäste melden sich für das grosse Erlebnis in den hohen Lüften an, kaufen sich noch schnell ein Air Zermatt Souvenir und sehen dann ihrem bevorstehenden Rundflug aufgeregt entgegen…

Der Tag ist noch nicht vorbei…

Der Funk ist ständig aktiv und der Geräuschpegel im Büro sehr hoch. Die Konzentration muss jetzt aber bewahrt bleiben, denn die nächste Challenge steht an: Zwei Bergsteiger haben sich am Matterhorn verstiegen und kommen nicht mehr weiter. Sie sind unverletzt.

“Same procedure as before”

Die Crew macht sich bereit, zusammen mit einem Rettungsspezialisten wird die Rettung in Angriff genommen.

Als die Retter nach dieser Evakuation zurück auf dem Heliport sind, beginnt der unangenehme Teil der Arbeit. Den Bergsteigern wird erklärt, dass die entstandenen Kosten von ihnen oder ihrer Versicherung bezahlt werden müssen. Telefonate mit der Versicherung für Details, sowie teils unangenehme Diskussionen mit den evakuierten Personen, können sich zu einem langanhaltenden Prozedere entwickeln.

Abend wurde es noch an jedem Tag.

Nach langem hin und her hat die Zahlungsweise geklärt werden können und die Bergsteiger verlassen den Heliport. Mit der sich ankündigenden Dämmerung kommen auch die Helikopter zurück – alle Aufträge wurden erledigt. Vorbei ist der Zauber aber noch nicht, denn der Crew vom Flugbetrieb stehen nun noch Aufräum- und Putzarbeiten bevor. Für das Personal in der Einsatzleitung geht es mit administrativen Aufgaben weiter: das Auftragsprogramm für den nächsten Tag wird fertigstellt, die Aufträge vom heutigen Tag werden verrechnet, die Kasse abgeschlossen und die noch nicht bearbeiteten Anfragen erledigt.

Lachen schallt aus der Küche und es macht sich Feierabendstimmung breit. Behaglich, aber auch etwas ermüdet, werden die Computer nun auch in der Einsatzleitung heruntergefahren. Es wird noch einmal durchgegangen, ob alles erledigt ist für den nächsten Tag, bevor sie sich der Feierabendstimmung anschliessen.

2 comments
  1. Ja, das ist alles schon sehr speziell. In unseren Urlauben in Taesch, wo wir auch ständig um Zermatt herum waren, bekommt man das alles hautnah mit. Nicht nur schöne Bilder, sondern auch so manches Leid, aber das gehört dazu.
    Auch hatten wir einen wunderschönen Rundflug gebucht, ein Erlebnis der besonderen Art. Ein herzliches Dankeschön an alle, die ständig im Einsatz sind, ob gut oder weniger gut.
    Herzliche Grüße G. S.

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