Mit der Schneeschleuder unterwegs auf den Gornergrat

3000 Tonnen Schnee pro Stunde schafft die Schneeräumungs-Equipe der Gornergrat Bahn vom Bahntrassee weg – dank topmodernen Maschinen und perfektem Teamwork. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen.

Es ist 06:00 Uhr in der Früh an einem kalten Februarmorgen in Zermatt. Zwei Tage zuvor hat es frisch geschneit, seither weht ein eisiger Wind. Während das Dorf noch schläft, herrscht an der Talstation der Gornergrat Bahn (GGB) bereits emsiges Treiben. Die Bahnstrecke auf den Gornergrat muss mit der Schneeschleuder von den Schneeverwehungen befreit werden, noch bevor die ersten Züge planmässig auf die Strecke geschickt werden.

Die Schneeschleuder der GGB mit Triebwagen morgens im Depot in Zermatt
Kurz nach 06:00 Uhr morgens wird die Schneeschleuder mit angehängtem Triebwagen aus dem Depot gefahren. © Christian Bürgi

Was andere Bahnen in der Schweiz vor grosse Herausforderungen stellen würde, ist hier oben Alltag: Während acht Monaten pro Jahr liegt auf dem Gornergrat Schnee; ein Team von sechs Mitarbeitenden ist alleine für die Schneeräumung entlang der Strecke und den Stationen zuständig. Hätte es in der letzten Nacht Neuschnee gegeben, wäre die Equipe schon längst auf der Strecke unterwegs – denn an solchen Tagen startet der Räumdienst sogar bereits um fünf Uhr morgens.

Wir nehmen Platz in der topmodernen Schneeschleuder der Gornergrat Bahn, in Fachkreisen «Xrote 3933» genannt. Seit 2018 ist sie im Einsatz. Thomas Perren, der heute im Führerstand als Koordinator und Funker den Überblick behält, nennt es im Vergleich zu früher scherzhaft «Schleudern wie aus dem Wohnzimmer». Er ist seit 30 Jahren im Schneeräumungs-Team der GGB dabei und hat in dieser Zeit schon so einiges gesehen.

«Wir haben manchmal stressige Tage. Wenns’s viel geschneit und gestürmt hat, sind wir von frühmorgens bis abends im Dauereinsatz. Aber Tage wie heute, an denen es nur wenig Schnee zu räumen gibt, die Sonne scheint und man morgens zu den Ersten gehört, die bei Sonnenaufgang den Gornergrat hochfahren – da ist alles wieder vergessen.»

Thomas Perren, Mitarbeiter der Schneeräumungs-Equipe der GGB

Teamwork wird in diesem kleinen Team grossgeschrieben: Drei Arbeiter bedienen jeweils die Schneeschleuder. Einer führt den Zug, der zweite bedient die Fräse und eine dritte Person koordiniert die Arbeiten und steht mit der Leitstelle in Funkkontakt. Gemeinsam schaffen sie es, bis zu 3000 Tonnen Schnee pro Stunde vom Bahntrassee zu entfernen – das ist mehr als das Gewicht von 500 Elefanten.

Das Schneeräumungs-Team der GGB im Führerstand der Schneeschleuder
Hochkonzentriert: Das Trio im Führerstand der Schneeschleuder «Xrote 3933». ©Christian Bürgi

Die Schneeschleuder bewegt sich nicht selbstständig. Die Traktion stellt ein Triebfahrzeug sicher, das die 19 Tonnen schwere Schleuder den Gornergrat hinaufschiebt. Hier sitzt auch der Rest der sechsköpfigen Schneeräumungs-Equipe heute morgen – noch. An den Stationen unterwegs steigen diese Mitarbeiter aus, um die Perrons, Weichen und Bahnhofsanlagen von Schnee und Eis zu befreien.

Wir kommen gut voran und erreichen bereits um etwa 07:00 Uhr den Riffelberg auf 2’582 Metern. Das ist nicht immer so. “Bei besonders starken Schneefällen, wie denjenigen im Januar 2019 dauert es zwei bis drei Tage, um die gesamte Strecke vom Schnee zu befreien”, meint Thomas Perren. Nicht zu unterschätzen sei dabei der Doppelspuranteil von fast vier Kilometern – denn die Schneeschleuder am Gornergrat kann nur während der Bergfahrt Schnee räumen. So kommt es auch, dass wir zwar bereits zu Sonnenaufgang den Gornergrat erreichen, dann aber sofort nochmals nach Riffelberg zurückkehren, um die zweite Spur auf der letzten Streckenetappe zu räumen. Währendessen fahren bereits die ersten Züge mit Gästen auf den Gornergrat.

Hier muss zweimal geräumt werden: Doppelspurstrecke auf dem Weg zum Gornergrat. ©Christian Bürgi

Die Kommunikation innerhalb der Schneeräumungs-Equipe und mit der Leitstelle ist bei diesen Einsätzen zentral. Die neue Schneeschleuder aus dem Jahr 2018 stelle hier eine gigantische Verbesserung dar, sagt Lokführer Beat Lienhard. Es sei viel leiser im Innenraum, alle sässen nebeneinander, was die Koordination untereinander gegenüber früher deutlich vereinfache. Aber auch hier braucht es ein eingespieltes Team – denn schlussendlich ist die Gruppe oft auf sich alleine gestellt.

«Es kam schon vor, dass wir aufgrund eines Defekts unterwegs den ganzen Weg nach Zermatt bei garstigem Wetter zurücklaufen mussten, um die alte Schleuder aus der Reserve zu holen. Auch Schneerutsche hinter uns haben schon dazu geführt, dass wir auf der Strecke plötzlich «eingeschlossen» waren.

Thomas Perren, Mitarbeiter der Schneeräumungs-Equipe der GGB
Lawinen entlang der exponierten Strecke sind keine Seltenheit – nur selten treffen sie aber die Bahngleise. ©Christian Bürgi

Ob es denn Situationen gebe, wo auch die massive Schleuder der GGB an den Anschlag kommt? «Das komme vor, sei aber selten.», meint dazu Thomas Perren. Mit zunehmender Schneemenge müsse langsamer gefahren werden, in Grenzfällen komme man nur Stück für Stück voran.

Eine grosse Rolle spielt dabei auch die Schneebeschaffenheit: Schwerer Nasschnee ist schwieriger zu räumen als weicher Pulverschnee. Auch Stellen mit verblasenem, komprimierten Schnee sind eine Herausforderung. Kommt die Schleuder gar nicht mehr weiter, unterstützen die Pistenbullys der Zermatt Bergbahnen und entfernen die obersten Schneeschichten.

Die riesige Fräse an der Front kann auch grosse Neuschneemengen zügig vom Gleis räumen. ©Christian Bürgi

Es ist etwa 10:00 Uhr, als heute die Schneeschleuder vom Gornergrat bei schönstem Winterwetter nach Zermatt zurückfährt – vergleichsweise früh. Auch eine Kaffeepause auf dem Riffelberg liegt auf dem Rückweg drin. Liegt viel Neuschnee, werde diese als erstes gestrichen, meint Thomas Perren.
Besonders an sonnigen Tagen warten die Gäste in Zermatt jeweils sehnlichst darauf, möglichst früh auf den Gornergrat hochfahren zu können. Das Verständnis, dass weiter oben möglicherweise noch viel Schnee auf den Gleisen liegt, sei nicht immer da. «Doch wir geben jeweils alles, damit die Bahn pünktlich fahren kann», ist sich die Equipe einig. Nach diesem Besuch ist klar, dass das nicht nur eine Floskel ist, sondern hier ein hochmotiviertes, eingespieltes Team am Werk ist, das mit Herzblut auch im tiefsten Winter die Gornergrat Bahn am Laufen hält.

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